Home Treatment im Kanton Tessin: Psychiatrische Versorgung im eigenen Zuhause

Im Kanton Tessin wird für Erwachsene in psychischen Krisen eine intensive Behandlung zu Hause angeboten. Diese freiwillige, interdisziplinäre Behandlung ist genauso wirksam wie ein Klinikaufenthalt, aber ist mit einer subjektiv besseren Wahrnehmung verbunden. 

Seit 2016 testet der Kanton Tessin eine Alternative zur akuten psychiatrischen Hospitalisierung. Das sogenannte «Home Treatment» ist eine intensive Behandlung zu Hause und wird von der kantonalen Psychiatrischen Klinik (CPC) angeboten. Das Modell richtet sich an Erwachsene in psychischen Krisen, die sicher zu Hause bleiben können, und basiert auf einem freiwilligen Ansatz mit Zustimmung der im selben Haushalt lebenden Personen.

Das Projekt entstand in den Regionen Bellinzona und Tre Valli - inspiriert von der angelsächsischen Gemeindepsychiatrie. Es verwandelte eine Krankenstation mit 14 Betten in ein mobiles, interdisziplinäres Team, das sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag aktiv ist. Seit 2024 wird das Modell auf Lugano ausgeweitet und deckt nun ein Gebiet mit rund 170’000 Einwohnerinnen und Einwohnern ab.

Das Team, bestehend aus Psychiatern und Psychiaterinnen, Pflegefachpersonen, Psychologinnen, Psychologen, Ergotherapeutinnen, Ergotherapeuten und Sozialarbeitenden, arbeitet im täglichen Umfeld der Patientinnen und Patienten, ohne institutionelle Einschränkungen und mit der Möglichkeit, rasch auf Veränderungen zu reagieren. Die Versorgung umfasst die klinische Beurteilung, tägliche Besuche von Pflegefachpersonen zu Hause, Familienunterstützung, Medikamentenmanagement, Ergotherapie, Psychoedukation für Patienten/-innen und deren Familien und, falls nötig, soziale Begleitung. 

Das Fehlen einer starren Hierarchie fördert die Kooperation und Ausrichtung auf die Gegebenheiten vor Ort. Das Modell eignet sich unter anderem für ältere Patientinnen und Patienten, Frauen nach der Geburt, isolierte Patientinnen und Patienten sowie Personen mit unterbrochenem Behandlungsverlauf und bei der Involvierung von sozialen Diensten. Es integriert sich in das bestehende lokale Netzwerk mit Hausärzten, privatem Psychiater, Sozialdienst oder Angeboten nach der Geburt.

Eine Studie zeigt auf, dass das Home Treatment vergleichbare klinische Ergebnisse wie bei einer klassischen Hospitalisierung aufweist, aber bessere Ergebnisse bezüglich der subjektiven Wahrnehmung der Behandlung, der therapeutischen Beziehung und der Kosten in der Nachsorgephase. 

Das Modell basiert auf einer starken regionalen Verankerung, enger Kooperatoin mit sozialen und medizinischen Diensten und einem aktiven Einbezug der Familien. Das mittelfristige Ziel ist es, dieses Angebot im gesamten Kanton zu verbreiten, als Antwort auf die veränderten Bedürfnisse im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel. Dieses innovative Modell ebnet den Weg für eine integrierte, mobile und menschliche Psychiatrie.

Letzte Änderung: 01.10.2025

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