Die Abteilung für Gewaltmedizin (Unité de médecine des violences, UMV) bietet rechtsmedizinische Beratung für erwachsene Gewaltopfer. Diese Beratung erfolgt – kostenlos und unabhängig von einer Anzeige – durch Pflegefachpersonen unter der Aufsicht von Rechtsmediziner*innen.
Die 2006 vom Westschweizer Universitätszentrum für Rechtsmedizin am CHUV gegründete UMV hat drei Aufgabenbereiche: klinische Tätigkeit, Bildung und Forschung auf dem Gebiet der zwischenmenschlichen Gewalt. In erster Linie geht es darum, rechtsmedizinische Leistungen für die Opfer zugänglich zu machen und deren Betreuung im Spital zu verbessern.
Das interdisziplinäre Team besteht aus Rechtsmediziner*innen , Pflegefachpersonen und sozialwissenschaftlichen Forschungsbeauftragten.
KLINISCHE TÄTIGKEIT
Die UMV ist in vier Spitälern des Kantons präsent: CHUV, Spital Nyon, Spitalzentrum Rennaz und Spital Yverdon-les-Bains. Die Beratungen finden nach Terminvereinbarung innerhalb von 24 bis 48 Stunden an 365 Tagen im Jahr statt. Sie sind vertraulich, unabhängig von einer Anzeige und kostenlos. Bei Bedarf werden auch Dolmetschdienste und Kinderbetreuung übernommen. Der Kanton Waadt stellt die Finanzierung sicher. Zu beachten ist, dass Opfer von sexuellen Übergriffen nicht in der UMV betreut werden.
Die Stärke der UMV ist, dass es sich um ein spezifisches Fachzentrum handelt. Für die Patient*innen bedeutet dies:
- geringeres Risiko, sich stigmatisiert oder verurteilt zu fühlen;
- Dokumentierung der Gewalt in all ihren Formen, in ihrer Dauer und in ihren körperlichen, psychischen und sozialen Folgen;
- Weitervermittlung an das medizinisch-psychisch-soziale und juristische Netzwerk unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Ressourcen, der Wünsche und des effektiven Handlungsspielraums.
BILDUNG
Die UMV bietet in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule La Source ein CAS zu zwischenmenschlicher Gewalt und ein Modul zur Misshandlung älterer Menschen für Fachpersonen aus dem Gesundheits-, Sozial- und Justizwesen an.
FORSCHUNG
Mit den in der UMV durchgeführten Studien kann den Opfern eine Stimme verliehen werden. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Exposition von Kindern gegenüber Paargewalt.
ANERKENNUNG IN DER SCHWEIZ UND IN EUROPA
Im vom Bundesrat 2020 verabschiedeten Bericht über die «Medizinische Versorgung bei häuslicher Gewalt» wurde die UMV als eines von zwei Beispielen für gute Praxis in der Schweiz und als Anlaufstelle mit dem umfassendsten Angebot genannt.
Die GREVIO, eine europäische Expertengruppe, die für die Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zuständig ist, besuchte die Schweiz im Jahr 2022 und bewertete das in der UMV entwickelte Modell sehr positiv, insbesondere in Bezug auf die rechtsmedizinische Versorgung der Opfer.